Fachartikel: Unternehmensbewertung – Was ist mein Unternehmen wert?

Berechnungsmethoden und Beispiele

Die Frage „Was ist mein Unternehmen wert?“ beschäftigt viele Unternehmer, besonders im Mittelstand. Der Anlass für diese Überlegung kann vielfältig sein: 

Von geplanten Nachfolgeregelungen über Umstrukturierungen bis hin zu unerwarteten Ereignissen, die einen Verkauf oder eine Schenkung notwendig machen. Doch die Bestimmung eines fairen Unternehmenswertes ist komplex und hängt stark von den gewählten Bewertungsverfahren ab. 

Dieser Artikel stellt die gängigsten Bewertungsmethoden vor, erklärt ihre Anwendung im Mittelstand und zeigt auf, wann welches Verfahren besonders geeignet ist.

1. Ertragswertverfahren

Das Ertragswertverfahren ist im Mittelstand eines der am häufigsten verwendeten Bewertungsverfahren. Es fokussiert sich auf den erwarteten zukünftigen Ertrag eines Unternehmens. Dabei wird der Unternehmenswert als der Kapitalwert zukünftiger Gewinne abzüglich der notwendigen Investitionen berechnet.

Anwendung:

Das Verfahren eignet sich besonders für Unternehmen mit stabilen Erträgen, da es die zukünftige Ertragskraft in den Vordergrund stellt. Diese Methode wird häufig bei der steuerlichen Bewertung (z. B. im Falle einer Erbschaft oder Schenkung) angewandt.

Beispielrechnung:

Ein Unternehmen hat in den letzten fünf Jahren durchschnittlich einen Gewinn von 200.000 Euro pro Jahr erwirtschaftet. Man geht davon aus, dass diese Gewinne auch in den nächsten Jahren erzielt werden. Bei einem Kapitalisierungszinssatz von 10% ergibt sich ein Unternehmenswert von:

Unternehmenswert = 200.000/0,10 = 2.000.000 Euro

Besonderheiten:

Ein Nachteil des Ertragswertverfahrens ist, dass es stark von den Annahmen über zukünftige Gewinne abhängt. Wenn diese falsch eingeschätzt werden, kann der Unternehmenswert erheblich variieren. Zudem berücksichtigt das Verfahren keine besonderen unternehmensspezifischen Risiken, die die Ertragskraft beeinflussen könnten.

Vereinfachtes Ertragswertverfahren

Das vereinfachte Ertragswertverfahren wird vom Finanzamt angewandt, um die Höhe einer Erbschaft- und Schenkungsteuer zu berechnen. Dazu wird das durchschnittliche Betriebsergebnis der letzten drei Jahre mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert. 
Dieser beträgt aktuell 13,75% und wurde durch das Bundesfinanzministerium festgelegt.

2. Multiplikatorverfahren

Dieses Verfahren nutzt branchenspezifische Multiplikatoren, die auf den Umsatz oder das operative Ergebnis (EBIT) angewendet werden. Es ist besonders einfach und ermöglicht einen schnellen Überblick über den Unternehmenswert.

Anwendung:

Das Multiplikatorverfahren wird häufig bei kleineren Unternehmen eingesetzt, die über vergleichsweise einfache Strukturen verfügen. Es eignet sich vor allem, wenn der Unternehmensverkauf schnell und unkompliziert abgewickelt werden soll.

Beispielrechnung (Umsatz):

Ein mittelständisches Unternehmen hat einen jährlichen Umsatz von 5 Mio. Euro. Der für die Branche übliche Umsatz-Multiplikator beträgt 0,5. Der Unternehmenswert beträgt somit:

Unternehmenswert = 5.000.000 × 0,5 = 2.500.000 Euro

Die Berechnung eines Unternehmenswertes über Umsatz und Multiplikator kommt in der Praxis selten vor, die Berechnung über das operative Ergebnis vor Steuern (EBIT) ist dieser Berechnung vorzuziehen.

Beispielrechnung (Ebit):

Ein mittelständisches Unternehmen hat einen jährlichen Umsatz von 5 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Steuern liegt bei 400.000 Euro. Der für die Branche übliche Ebit-Multiplikator beträgt 4. Der Unternehmenswert beträgt somit:

Unternehmenswert = 400.000 × 4 = 1.600.000 Euro

Im Internet finden sich diverse Seiten mit Tabellen, aus welchen Sie Anhaltspunkte für den Multiplikator erhalten können.
In der Regel können Sie hier auch weitere Informationen bei Ihrer Handelskammer erhalten. Am Ende des Artikels haben wir für Sie einen Link zur Seite der DUB (Deutsche Unternehmensbörse) erstellt. Dort werden aktuelle Werte veröffentlicht. Bitte beachten Sie, dass dies eine Fremdseite ist und wir nicht für den Inhalt verantwortlich sind.

Besonderheiten:

Eine Schwäche des Multiplikatorverfahrens ist die starke Abhängigkeit vom gewählten Multiplikator, der für jede Branche unterschiedlich sein kann. Zudem werden spezifische Erfolgsfaktoren des Unternehmens nicht berücksichtigt.

3. Substanzwertverfahren

Das Substanzwertverfahren bewertet die Vermögenswerte eines Unternehmens abzüglich der Schulden. Es eignet sich besonders für Unternehmen mit hohen Anlagevermögen, wie z.B. Immobilienunternehmen oder Unternehmen der produzierenden Industrie.

Anwendung:

Dieses Verfahren ist geeignet, wenn der Fokus auf den materiellen Werten eines Unternehmens liegt, z.B. bei Unternehmen, die über große Maschinenparks oder Immobilien verfügen.

Beispielrechnung:

Ein Unternehmen hat Vermögenswerte (Maschinen, Immobilien etc.) im Wert von 3 Mio. Euro. Die Schulden des Unternehmens betragen 500.000 Euro. Der Unternehmenswert nach der Substanzwertmethode beträgt:

Unternehmenswert = 3.000.000 − 500.000 = 2.500.000 Euro

Besonderheiten:

Der große Nachteil dieser Methode ist die fehlende Berücksichtigung zukünftiger Ertragskraft. Unternehmen mit geringen Erträgen, aber hohem Substanzwert, erscheinen wertvoller, als sie tatsächlich sind.

4. Discounted Cash Flow (DCF) Methode

Die DCF-Methode errechnet den Unternehmenswert durch Diskontierung zukünftiger Cashflows. Sie wird vor allem bei größeren Unternehmen angewendet und erfordert eine detaillierte Finanzplanung.

Anwendung:

Die DCF-Methode eignet sich besonders für Unternehmen, deren Wert sich stark aus zukünftigen Cashflows ergibt, wie z.B. Wachstumsunternehmen oder börsennotierte Gesellschaften.

Beispielrechnung:

Ein Unternehmen erwartet in den nächsten fünf Jahren folgende Cashflows: 100.000 Euro, 150.000 Euro, 200.000 Euro, 250.000 Euro und 300.000 Euro. 
Der Diskontierungssatz beträgt 10%. Der Unternehmenswert ergibt sich durch die Summe der diskontierten Cashflows:

Unternehmenswert = 100.000/1,1 + 150.000/1,1^2 + 200.000/ 1,1^3 + 250.000/1,1^4 + 300.000/1,1^5 = 798.574 Euro

Besonderheiten:

Die DCF-Methode ist komplex und erfordert eine präzise Finanzplanung. Geringfügige Änderungen bei den Annahmen können den Unternehmenswert stark beeinflussen.

5. Übergewinnmethode

Dieses Verfahren kombiniert Elemente der Ertrags- und Substanzwertmethode und eignet sich für Unternehmen, die über hohe Substanzwerte, aber niedrige Erträge verfügen.

Anwendung:

Die Methode wird selten eingesetzt und eignet sich vor allem für Unternehmen, bei denen die Vermögenswerte eine größere Rolle spielen als die Erträge.

Beispielrechnung:

Ein Unternehmen hat einen Substanzwert von 2 Mio. Euro und erwirtschaftet jährlich einen Ertrag von 50.000 Euro. Der angenommene Nominalzinssatz beträgt 5%. Der Übergewinn beträgt:
 

Übergewinn = 50.000 − (2.000.000×0,05) = −50.000 Euro

Da der Übergewinn negativ ist, hat das Unternehmen nach dieser Methode keinen zusätzlichen Unternehmenswert über den Substanzwert hinaus.

Besonderheiten:

Diese Methode wird hauptsächlich bei spezialisierten Bewertungsfragen eingesetzt und spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle.

 

Fazit: Welche Methode für welches Unternehmen?

  • Ertragswertverfahren: Eignet sich besonders für etablierte, ertragsstarke Unternehmen mit stabilen Gewinnen.
  • Multiplikatorverfahren: Ideal für kleinere Unternehmen mit standardisierten Prozessen und geringen Besonderheiten.
  • Substanzwertverfahren: Gut geeignet für Unternehmen mit hohen Vermögenswerten, aber weniger relevanter Ertragskraft.
  • DCF-Methode: Vorzugsweise bei wachstumsorientierten oder börsennotierten Unternehmen, die eine detaillierte Finanzplanung haben.
  • Übergewinnmethode: Spezialfall für Unternehmen, bei denen Vermögenswerte im Vordergrund stehen.

Letztlich gibt es keine „einzig richtige“ Methode. Oft ist eine Kombination aus mehreren Verfahren sinnvoll, um eine realistische Wertspanne zu ermitteln. Unternehmer sollten sich daher frühzeitig mit der Frage des Unternehmenswertes auseinandersetzen und fachkundige Beratung in Anspruch nehmen, um den optimalen Verkaufszeitpunkt und den besten Verkaufspreis zu erzielen.

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